Vielleicht muss ich wirklich mal ein Rennrad fahren (klarer Fall von n+1)
Uff.. ja irgendwie gab es bisher sehr wenig Bike-Content hier. Und da danach gefragt wurde, schreib ich mal was zu meinem neuesten Rad. :)
Also.. Seitdem es mich Anfang 2020 ins Homeoffice verschlagen hatte, bin ich unter der Woche erheblich weniger Rad gefahren als die Jahre davor. Als Ausgleich bin ich am Wochenende mehr gefahren. Irgendwann sind die Touren leicht eskaliert und es kamen regelmĂ€Ăig mehr als 100km auf Asphalt oder Schotter zusammen. Weils landschaftlich schöner war und ich auch Lust am bergauf fahren habe, bin ich von mir zuhause in den Odenwald oder in die Pfalz gefahren. Da kann man jede Menge Höhenmeter sammeln. ;)
Und beim Höhenmeter sammeln fĂ€llt einem dann halt auf, dass das Tourenrad mit Schloss, Flaschen und leerer Tasche dann doch gut 20kg wiegt. Der Wunsch nach was Schnellerem und Leichterem war da. Der Rahmenbauer Sebastian (SeLi) Lindler hatte Zeit und Lust, mir was feines zu bauen. Man kann ja bei ihm auch Kurse machen, aber dieses Jahr hatte ich wenig Zeit dafĂŒr. Also durfte er ran und mir einen schönen Edelstahl-Rennradrahmen entwerfen. In der Zwischenzeit musste ich mir selbst die Frage nach der Gangschaltung fĂŒr so ein Rad beantworten. Auf meinen beiden anderen RĂ€dern fahre ich eine Rohloff und bin im Prinzip sehr glĂŒcklich damit. Allerdings ist das nur bedingt was fĂŒr ein Rennrad. Mit Schaltgriff wiegt so eine Getriebenabe nahe an 2kg. Dazu kommt es optisch auch nicht so wirklich passend zu einem filigranen Stahlrahmen.
Beim Turmbergrennen in Karlsruhe gab es die Kategorie âSinglespeedâ da hab ich ein paar Freaks gesehen, die mit ihren Singlespeed RĂ€dern in doch eindrucksvollem Tempo den Turmberg hochgefahren sind. Ich hab dann ein wenig im Netz gesurft und bin auf Milaâs Singlespeed Seite gelandet. Hier hat sie ihr Singlespeed Rennrad vorgestellt und ich war sofort angefixt. =)
Also hab ich so grob Herbst 2020 mit Sebastian angefangen zu planen. Edelstahl Rahmen fĂŒr die Langlebigkeit und um ohne Lack oder Pulverbeschichtung auszukommen. Wie gesagt, keine Schaltung, sondern Singlespeed. Dazu Scheibenbremsen von Paul Components. Die sind IMHO die besten mechanischen Scheibenbremsen die man (fĂŒr zugegebenermaĂen nicht wenig) Geld kaufen kann. Ich hĂ€tte natĂŒrlich auch ein Fixie bauen können, aber das war mir fĂŒr die Strecken, die ich so im Sinn hatte, dann doch zu heiĂ.
Sebastian hatte noch einen Edelstahl Steuersatz von Reset Racing aus Hannover in der Schublade liegen. Langlebiger gehts nicht und von der Optik passten die Teile einfach sehr geil zum Rahmen. Sebastian hat sich bei den Muffen fĂŒr das Steuerrohr zusammen mit dem Steuersatz richtig ausgetobt. Ein schönes Foto davon folgt sicher noch.
Die LaufrÀder basieren auf Naben von Paul Components (ja ich mag sein Zeug!) und relativ einfachen, aber robusten Felgen von Ryde. Reifen habe ich 32er Grand Prix 5000 von Conti drauf. Wie ich inzwischen rausgefunden habe, kann man damit problemlos Schotter, Wiesen und PfÀlzerwald-Wege fahren. ;)
Lenker gabâs von Thomson und Bremshebel von SRAM. Eigentlich wĂŒrde ich mir mal schöne Bremshebel von Paul wĂŒnschen. Naja.. so lange Standardzeug.
Als Kurbel wollte ich gerne wieder die Sugino Bahnrad-Kurbeln fahren, die ich auch an meinem Tourenrad habe. Hölle robust, schlicht und in der von mir bevorzugten LĂ€nge von 165mm auch in DE verfĂŒgbar. Tja und die Pedale kommen auch von Reset Racing. Die Pedale von denen sind zwar fast schon absurd teuer, aber Optik und Haltbarkeit sind unschlagbar. In diesem Fall ist es das Pedal 4 geworden. Initial fand ich das Pedal 3 (was ich am Tourer hab) geiler, aber das wird eh nicht mehr gebaut. Und die filigrane Bauart von Pedal 4 in silber und schwarz passt dann doch perfekt zum geplanten Rennrad.
Was den Rest des Antriebs angeht, muss ich zugeben, dass ich mir vorab wenig vorstellen konnte, wie sich bestimmte Ăbersetzungen bei dem Rad anfĂŒhlen wĂŒrden. Letztendlich hab ich den 1:1 Gang (ist glaub ich der 11.) der Rohloff genommen und hab dann von dem Ritzel und Blatt vom Tourenrad ein bisschen hoch gerechnet. Weil ich mir trotzdem noch nicht sicher war, haben wir ein 2-fach Ritzel (Bild folgt) in 20/22 hinten verbaut. Vorne ein relativ groĂes Blatt mit 46 ZĂ€hnen. Erste Touren hier im Kraichgau haben gezeigt, dass 46/20 schon mal sehr gut gehen. Also knapp 28-30km/h Reisegeschwindigkeit in der Ebene und trotzdem noch relativ locker 10% Steigungen hoch kommen. Wennâs beim Dopperitzel bleibt, geb ich mir vielleicht 18/20. Oder ich setz einfach fest ein einfaches 20er rein.
Es wurde mehrfach die Frage gestellt, wie man denn den âGangâ wechselt. Ich hab an dem Rad die gleichen Slider wie beim Rohloff-Rad verbaut. Man kann also das Hinterrad auf einer Art kleinem Schlitten vor und zurĂŒck bewegen. Damit lĂ€sst sich die Kettenspannung einstellen. Gleichzeitig liegt auf dem beweglichen Teil ĂŒbrigens auch die Aufnahme fĂŒr die Scheibenbremse. Dadurch wird die Bremse beim verstellen der Kettenspannung nicht beeinflusst. Das war mir wichtig, damit das unterwegs nicht zu fummelig wird. Mit dem Doppelritzel haben wir uns das so gedacht, dass man mit dem Slider die Kette so locker macht, dass sie auf das gröĂere Ritzel passt. Oder fester fĂŒr das kleinere Ritzel. Ob ich das nutze und ob es eine tolle Idee war, wird die Praxis zeigen. Es lĂ€sst sich halt ohne Probleme auch ein Einfach-Ritzel verbauen. ;)
Apropos VerfĂŒgbarkeit: der Grund, warum das Projekt fast 1 Jahr gedauert hat, war die Lieferbarkeit von Edelstahlrohren aus UK. Neben Brexit-Zoll Komplikationen fĂŒr Gewerbetreibende kam noch die allgemeinte hohe Nachfrage dazu. Wir haben sehr lange gewartet, bis wir Rohre fĂŒr Rahmen und Gabel zusammen hatten.
Nun ist das gute StĂŒck fertig. Alles in allem bringt es 10kg auf die Waage. Etwas mehr als ein Carbon Renner und auch mehr als man mit einem Stahlrahmen machen kann, aber ich hab mich einfach nicht auf Leichtbau fokussiert. Falls ich mal schwerer werde, kann ich ja immer noch leichte Komponenten verbauen.